Wenn Norman Hedtke ins Stadion geht, fällt er auf. Seit 2022 bemalt er zu Spielen des 1. FC Köln sein Gesicht. Im GeißbockEcho erzählt „dä kölsche Braveheart“ seine Geschichte.
Es ist sechs Uhr morgens, wenn bei Norman Hedtke der Wecker klingelt. Vor ihm liegt selbst an Heimspieltagen eine mehrstündige Fahrt, denn der 47-Jährige wohnt im FC-Exil in Niedersachsen. Vor der Abfahrt macht Hedtke sich fertig. Was für andere Fans für gewöhnlich das Überstreifen von Trikot und Schal bedeutet, dauert bei Hedtke um einiges länger, da er den gesamten Kopf mit roter und weißer Farbe überdeckt. Das Ritual basiert auf einer Wette aus dem Jahr 2022. „Die Idee entstand rund um das Europapokalspiel in Nizza. Ich war bereits am Abend vorher in der Stadt unterwegs und mit weiteren FC-Fans etwas trinken. Aus der Bierlaune heraus habe ich dann gesagt, dass ich mir das Gesicht anmale, wenn wir aus Nizza einen oder drei Punkte mitnehmen“, erzählt Hedtke. Die Südfranzosen galten als stärkster Gegner in der Gruppenphase der UEFA Conference League. Der FC spielte trotzdem mutig auf und erkämpfte sich dank eines Treffers von Steffen Tigges einen verdienten Punkt.
Zum nächsten Europapokal-Heimspiel tauschte Hedtke seine Schiebermütze mit der Gesichtsfarbe. „Ich war wahrscheinlich schon immer etwas verhaltensauffällig“, belächelt er. Doch die Interaktionen mit den FC-Fans waren durchweg positiv. „Ich wurde von den Reaktionen total überrascht. Vor allem kleine Kinder waren fasziniert und haben sich gefragt, was der bunte Mann im Stadion macht.“ Die Blicke waren von nun an auf Hedtke gerichtet, der gleich bei der Premiere mit vielen Kölnern ins Gespräch kam. „Ich dachte mir, wenn das so gut ankommt, muss ich das auch ein zweites oder drittes Mal machen.“

Auch der Name der neugeschaffenen Kunstfigur war fix gefunden. „Als ich beim ersten Mal angemalt ins RheinEnergieSTADION kam, sagte jemand zu mir: Du siehst ja aus wie der Typ von Braveheart.“ Von diesem Zeitpunkt an war „dä kölsche Braveheart“ geboren. Zur Saison 2024/25 wurde ein eigenes Braveheart-Trikot entworfen und auch das Auto ist bei den FC-Fahrten stets mit magnetischen Braveheart-Stickern auffällig bestückt. „Die dreistündige Autofahrt absolviere ich bei gutem Wetter im offenen Cabrio, wobei die anderen Autofahrer beim Vorbeifahren häufig winken und hupen.“ An Nachmittagsspielen fährt er im Cabrio noch am selben Tag zurück. Bei Abendspielen spart er sich den Stress und bucht ein Hotelzimmer.
Hedtke versucht in der Regel drei Stunden vor Anstoß in Müngersdorf anzukommen. „Wann ich aufstehen muss, errechne ich immer rückwärts“, erklärt er. Anschließend muss er duschen und sich vor der Bemalung rasieren. „Das Schminken übernimmt dann meine Frau, manchmal hilft auch meine siebenjährige Tochter mit. Der ganze Prozess dauert meistens rund 45 Minuten.“ Bei einem Zweitligaspiel mit Anstoß um die Mittagszeit heißt das: Zähne zusammenbeißen und früh aufstehen. „Auch aus persönlichen Gründen ist der Aufstieg richtig geil“, lacht Hedtke.
Unter der Woche arbeitet Hedtke als unabhängiger Immobilienfinanzierer. Seine Freizeit verbringt er gerne mit seiner kleinen Familie. In den Jahren 2000 und 2001 wurde er Deutscher Meister der Fußballsimulation FIFA und nahm im Zuge dessen an den ersten Worldcybergames in Südkorea teil. Seine Leidenschaft für den FC fand der ursprünglich aus Heinsberg stammende Hedtke noch ein Stück früher. „In meiner Heimatstadt hat man von den Vereinsfarben in der Regel einen anderen Anstrich.“ Hedtke entschied sich Mitte der 80er-Jahre allerdings nicht für die Raute, sondern für den Geißbock. „Als kleiner Junge bin ich schon im Littbarski-Trikot zum Fußballtraining gegangen. Damals war der FC eine richtig große Nummer im deutschen Fußball und hat sich regelmäßig mit den Bayern duelliert. Wenn dich da einmal die Faszination packt, bleibt das ein Laben lang.“

Dass er gut 40 Jahre später bemalt im Stadion sitzt, hätte er damals wohl noch nicht gedacht. Mittlerweile lässt er sich die Fotos mit den anderen Fans zu schicken. Hedtke gründete einen Account auf Instagram (@kölsche_braveheart), auf dem er bis heute die besten Bilder des Wochenendes veröffentlicht. Dass dem Account bereits über 18.000 Menschen folgen, hat sich schnell bis zu Hedtkes Tochter durchgesprochen. „Sie erzählt gerne mal, dass ihr Papa in Köln berühmt ist, da muss ich sie ein Stück weit bremsen. Das stimmt so nicht“, schmunzelt Hedtke. An normalen Spieltagen posiert der Kölner Braveheart für rund 50 Fotos. An besonderen Spieltagen können es aber auch mehr werden. „In der Abstiegssaison haben wir die Partien gegen Bochum und Union in den Schlussminuten gedreht. Danach herrschte im Stadion so eine Euphorie, dass ich eine Stunde gebraucht habe, bis ich an meinem Auto angekommen bin. Die Anzahl der Bilder kann also je nach Wetter und Spielverlauf variieren“, erklärt er.
Die Filmfigur Braveheart stand für das Gute. Eine Eigenschaft, für die auch Hedtke steht. Im Stadion begleitet er einen Sehbehinderten FC-Fan. Nebenbei fing er an, Fans, mit denen er Fotos macht, im Gegenzug zu fragen, ob sie nicht für den Verein „mittendrin fc-koeln“ spenden wollen. Die gemeinnützige Organisation sammelt Geld für behinderte FC-Fans. Jenes Projekt wird auch von Hedtke unterstützt, der dem Verein jedes Jahr einen Check überreicht und bereits mit rund 1.000 Euro helfen konnte. „Das Geld kommt denjenigen zugute, die es auch wirklich brauchen“, schwärmt er von seiner Herzensangelegenheit. „Insgesamt bin ich frei von Berührungsängsten. Auch für Gästefans nehme ich mir gerne Zeit. Ich sehe in erster Linie immer den Menschen.
Die Fan-Geschichte ist zunächst im GeißbockEcho (Ausgabe 4, Saison 2024/25) erschienen. Die ganze Ausgabe gibt es gedruckt und Ihr hier im geschlossenen Mitgliederbereich. Noch kein Mitglied? Hier gibt's alle Infos zur Mitgliedschaft.